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Soziale Angststörung: Wenn die Furcht vor Bewertung das Leben bestimmt

In einer Gruppe von Menschen das Wort ergreifen? Vor anderen telefonieren? Eine Feier mit vielen unbekannten Gästen besuchen? Eine fremde Person nach dem Weg oder der Uhrzeit fragen? Solche und ähnliche soziale Situationen sind für viele Menschen herausfordernd: Bei manchen lösen sie lediglich ein mulmiges Gefühl aus, bei anderen hingegen regelrechte Panik. Woran du eine Soziale Angststörung erkennst und wie sie behandelt wird – das und mehr erfährst du in diesem Artikel.

Soziale Angststörung Phobie

Wann wird aus sozialen Ängsten eine Erkrankung?

 

In gewissem Maß kennen die meisten Menschen soziale Ängste. Und dafür gibt es eine recht einfache Erklärung: Menschen sind soziale Wesen. Zu einer Gruppe zu gehören, die Schutz und Unterstützung bietet, war lange Zeit überlebensnotwendig. Auch wenn es heute meist nicht mehr ums Überleben geht – von anderen gemocht, anerkannt und akzeptiert zu werden, ist nach wie vor ein zentrales menschliches Bedürfnis. Ob das erfüllt wird, entscheidest du jedoch nicht allein, sondern zu einem großen Teil die Anderen. Deren Bewertungen und Urteile liegen außerhalb deiner eigenen Kontrolle und darin liegt der Ursprung sozialer Ängste.

Ab und an in sozialen Situationen eine leichte Aufregung und Flattern im Bauch zu spüren, ist also erwartbar und vollkommen normal. Die wenigsten Menschen lässt es zum Beispiel kalt, wenn sie vor anderen eine Rede halten sollen oder zu einer Gruppe völlig fremder Personen dazustoßen.

Wenn die Ängste jedoch so stark sind, dass die Betroffenen in ihrem Alltag merklich belastet oder eingeschränkt sind, sind das deutliche Hinweise für eine Soziale Angststörung.

Dass eine Erkrankung vorliegt, lässt sich beispielsweise daran erkennen, dass:

  • die Angst sich bereits Stunden, Tage oder sogar Wochen im Vorhinein anbahnt.
  • Betroffene unter Dauerstress stehen und unter Folgeerscheinungen wie Muskelverspannungen, Schlafstörungen oder Erschöpfung leiden.
  • Betroffene ihr Verhalten und ihre körperlichen Reaktionen permanent selbst beobachten und analysieren und dann wenig Aufmerksamkeit für ihre Umgebung oder anstehende Aufgaben übrig bleibt.
  • Alltagsaufgaben, wie allein in den Supermarkt zu gehen, mit Kolleg:innen zu sprechen oder einen wichtigen Anruf zu machen, nicht mehr bewältigt werden können.
  • soziale Situationen wo immer möglich vermieden werden.

 

Wovor haben die Betroffenen Angst?

Die Soziale Angststörung (oft auch Soziale Phobie genannt) hat vielerlei Erscheinungsformen und jeder Mensch erlebt Angst unterschiedlich. Betroffene berichten zum Beispiel von der Angst, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, sich zu blamieren oder sich peinlich zu verhalten. Sie fürchten sich davor, in Gegenwart anderer zu essen, zu trinken oder zu telefonieren. Manchmal zeigt sich die Angst auch nur in Zusammenhang mit ganz bestimmten Situationen wie Prüfungen oder Vorträgen vor Publikum.

Im Zentrum der Sozialen Angststörung steht jedoch immer die Furcht vor Bewertung, genauer gesagt Abwertung durch andere.

 

Wie äußert sich die Angst?

Bei Angst werden verschiedene körperliche Prozesse in Gang gesetzt. Das Herz klopft schneller, die Muskeln spannen sich an, die Schweißproduktion wird angekurbelt, die Haut wird stärker durchblutet. Diese körperlichen Vorgänge können sich bei einer Sozialen Angststörung manchmal bis zu einer Panikattacke aufschaukeln.

Bei vielen Betroffenen führen die sichtbaren Körperreaktionen wie Schwitzen oder Erröten zu noch mehr Angst, weil sie befürchten, dass andere diese bemerken und verurteilen werden.

Zu den Körperreaktionen gesellen sich meist Gedanken wie “Die anderen werden sicher denken, dass mit mir etwas nicht stimmt”, “Bestimmt werde ich mich gleich verhaspeln und alle werden es bemerken”, oder “Ich spür schon wie ich rot werde, wie peinlich!”.

Die Angst geht in der Regel mit einem Verhaltensimpuls einher – dem Impuls, aus der Situation zu flüchten, sie gar nicht erst aufzusuchen, oder zumindest so gut es geht im Hintergrund zu bleiben.

 

Wie viele Menschen sind betroffen?

Vielen Betroffenen ist es unangenehm, über ihre sozialen Ängste zu sprechen. Sich jemandem anzuvertrauen und Hilfe zu suchen, stellt für viele eine unüberwindbar erscheinende Hürde dar. Oftmals bleibt eine Soziale Angststörung daher lange Zeit unbehandelt. Tatsächlich gehört die Soziale Angststörung aber zu den häufigsten psychischen Erkrankungen: Etwa jede:r Zehnte ist innerhalb des Lebens betroffen, in mehr oder minder ausgeprägter Form. Typischerweise beginnen Soziale Angststörungen schon im Kindes- und Jugendalter, sie können aber auch noch später neu auftreten.

 

Welche Ursachen sind bekannt?

Wie bei allen psychischen Erkrankungen gibt es auch bei der Sozialen Angststörung verschiedene Faktoren, die das Auftreten begünstigen können. Zum einen spielt die genetische Veranlagung eine Rolle. So beeinflussen Gene zum Beispiel, wie schnell und wie stark jemand ganz generell Angst empfindet. Ein weiterer Faktor ist die Erziehung. Kindern von überfürsorglichen Eltern fehlt zum Beispiel oft die Erfahrung, dass sie schwierige Situationen bewältigen können. In einem strengen, kritischen und abwertenden Familienklima entwickeln Kinder wiederum oft die Annahme, nicht gut genug zu sein. Beide Erziehungsstile können einen niedrigen Selbstwert und Ängste nach sich ziehen. Auch Perfektionismus, Schüchternheit und die Erfahrung von Ausgrenzung oder Hänseleien durch Gleichaltrige können zur Entstehung einer sozialen Angststörung beitragen.

Aufrechterhalten wird die Erkrankung dann vor allem dadurch, dass soziale Situationen gemieden werden. Je mehr die Betroffenen sich zurückziehen, desto weniger Übung haben sie im Umgang mit anderen. Sie nehmen sich die Chance, neue positive Erfahrungen zu machen. Der Gedanke an soziale Situationen macht dann immer noch mehr Angst.

 

Wie wird die Soziale Angststörung behandelt?

Da eine Soziale Angststörung in der Regel nicht von alleine wieder verschwindet, sollte sie behandelt werden. Sowohl Psychotherapie als auch Medikamente haben sich als wirksam erwiesen. Die Methode der ersten Wahl ist dabei die kognitive Verhaltenstherapie. Am Anfang der Therapie erfolgt immer eine Aufklärung und es wird darauf geschaut, wie die Erkrankung im Einzelfall entstanden ist und wodurch sie aufrechterhalten wird. Patient:in und Therapeut:in legen gemeinsam Ziele für die Behandlung fest und stimmen die weiteren Schritte ab. Im Zentrum der Behandlung steht dann die Auseinandersetzung mit den Ängsten und das aktive Aufsuchen der vermiedenen Situationen. Auch eine ergänzende Gruppentherapie oder eine Selbsthilfegruppe können sinnvoll sein. Dort können die Teilnehmer:innen in einem geschützten Rahmen miteinander üben und gleichzeitig die Erfahrung machen, nicht alleine mit der Erkrankung zu sein.

Wenn soziale Ängste deinen Alltag und deine Lebensqualität beeinträchtigen, dann zögere nicht, dir Hilfe zu suchen. Du bist nicht alleine.

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