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8 Bedenken, die dich nicht von einer Psychotherapie abhalten sollten
Psychotherapie – ja, nein, vielleicht…? Menschen können aus verschiedenen Gründen zögern, eine Psychotherapie zu beginnen. Oftmals spielen dabei Unsicherheiten und Ängste eine Rolle. Einige der häufigsten inneren Barrieren auf dem Weg zu einer Therapie nehmen wir in diesem Artikel näher unter die Lupe.
1. “Geht es mir überhaupt schlecht genug?”
Jeder ist doch mal traurig, oder nicht? Haben nicht alle irgendwelche Ängste? Andere haben viel größere Probleme und kommen damit klar – ich sollte das auch schaffen. Am Ende nehme ich noch jemandem, dem es schlechter geht, den Therapieplatz weg.
Solche Gedanken kommen bei vielen Menschen auf, wenn sie über eine Psychotherapie nachdenken. Oft treiben sie besonders diejenigen stark um, denen vermittelt wurde, sich selbst bloß nicht zu wichtig zu nehmen oder unter allen Umständen “stark” zu sein. Hilfreich sind diese Gedanken nicht, denn sie können eine notwendige Therapie verzögern, im schlimmsten Fall sogar verhindern. Es stimmt zwar, dass schwierige Phasen und Gefühle wie Traurigkeit und Angst zum Leben gehören – aber wenn sie dich auf Dauer belasten und einschränken, ist professionelle Unterstützung sinnvoll. Ein Vergleich mit anderen ist dabei aus mehreren Gründen nicht ratsam. Zum einen hat jeder Mensch aufgrund seiner Genetik, Persönlichkeit und früheren Erfahrungen eine individuelle Belastungsgrenze und reagiert anders auf Probleme. Zum anderen bekommst du von anderen immer nur Ausschnitte mit, nämlich die, die sie nach außen hin zeigen. Die Fragen, die du dir stellen kannst, lauten also nicht “Ist das normal?” oder “Wie geht es mir im Vergleich zu anderen?”, sondern “Fühle ich mich belastet?” und “Fühle ich mich im Alltag eingeschränkt?”
Wann immer es dir psychisch nicht gut geht, hast du das Recht, dir Hilfe zu suchen! Und zwar lieber früher als später: Je früher eine psychische Erkrankung erkannt und behandelt wird, desto besser ist die Prognose. Zu entscheiden, ob überhaupt eine psychische Erkrankung vorliegt, die eine Psychotherapie erfordert, ist dann Aufgabe der Therapeutin oder des Therapeuten – die Verantwortung für diese Entscheidung liegt nicht bei dir. Zu diesem Zweck findet vor Beginn einer ambulanten Psychotherapie zunächst eine psychotherapeutische Sprechstunde statt. Während dieser kann sich die Therapeutin oder der Therapeut ein genaues Bild von deinen Beschwerden machen und dich zum weiteren Vorgehen beraten. In einem ersten Schritt kann auch die MindDoc App helfen, deine Beschwerden einzuordnen und dir eine Rückmeldung liefern, ob eine psychotherapeutische Abklärung notwendig erscheint.
2. “Einen Therapieplatz werde ich so schnell doch eh nicht finden”
Diese Sorge ist nachvollziehbar, denn tatsächlich ist die Suche nach einem Therapieplatz häufig mit längeren Wartezeiten verbunden. Wie lange du konkret auf einen Platz warten musst, hängt dabei von mehreren Faktoren ab, z.B. davon, ob du in der Stadt oder auf dem Land suchst, wie flexibel du zeitlich bist, und ob du spezifische Wünsche hinsichtlich dem Therapieverfahren oder dem Geschlecht oder Alter der Therapeutin oder des Therapeuten hast.
Wenn schon der Gedanke an die Therapieplatzsuche ein Gefühl der Überforderung bei dir auslöst, bist du damit nicht alleine. Vielleicht kannst du eine vertraute Person bitten, dich dabei zu unterstützen. Auch den Terminservice der Kassenärztlichen Vereinigung kannst du nutzen, um möglichst zeitnah einen Termin bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten zu erhalten. Du erreichst ihn bundesweit unter der Telefonnummer 116 117 sowie über ein Onlineportal.
Weitere hilfreiche Hinweise zur Therapieplatzsuche haben wir hier und in der MindDoc App für dich zusammengestellt.
Auch wenn das Warten auf einen Therapieplatz länger dauern kann, solltest du dich nicht davon abschrecken lassen. In den wenigsten Fällen verschwindet eine psychische Erkrankung von alleine. Eine Psychotherapie erst nach mehreren Wochen oder Monaten beginnen zu können, ist ohne Frage frustrierend; doch immer besser als gar keine Therapie. Und wenn sich deine Beschwerden doch von allein bessern, kannst du den Therapieplatz immer noch absagen.
Selbsthilfegruppen, psychosoziale Beratungsstellen oder Selbsthilfeangebote wie die MindDoc App sind übrigens Möglichkeiten, die Wartezeit auf einen Therapieplatz zu überbrücken.
3. “Wie soll ich das zeitlich bloß schaffen?”
Arbeit, Haushalt, vielleicht auch Kinder oder pflegebedürftige Angehörige, die versorgt werden müssen – wie soll da auch noch Therapie Platz finden?
Keine Frage: Wenn du eine Psychotherapie machst, investierst du Zeit. Doch wie viel eigentlich? Bei den meisten Therapieformen hast du wöchentlich eine Sitzung à 50 Minuten. Bei einer psychoanalytischen Therapie können es bis zu drei 50-minütige Sitzungen pro Woche sein. Hinzu kommt die Zeit für die Fahrtwege, die du zur Praxis und zurück benötigst. Und eine Therapie findet immer auch zwischen den Sitzungen statt. So sind Übungen im Alltag, die du mit deinem Therapeuten oder deiner Therapeutin vereinbarst, beispielsweise ein gängiger Bestandteil einer Verhaltenstherapie. Doch auch ohne solche klar definierten Aufgaben für zwischendurch fördert es die Therapie, wenn du zwischen den Sitzungen etwas Raum hast, um über das Besprochene nachzudenken oder wichtige Erkenntnisse aufzuschreiben.
Je nach persönlicher Situation kann es zur echten Herausforderung werden, Psychotherapie in den Alltag zu integrieren. Allerdings ist das auch – wie immer, wenn es um Zeit geht – eine Frage der Prioritäten. Bei einer Psychotherapie investierst du Zeit in dich und deine psychische Gesundheit. Und deine Gesundheit darf oberste Priorität haben, schließlich ist sie das Fundament auf dem alles aufbaut. Unbehandelte psychische Erkrankungen kosten langfristig nicht nur deutlich mehr Zeit als eine Therapie – zum Beispiel in Form von Sorgen, Grübeln oder Zwängen – sondern vor allem auch Lebensqualität.
4. “Andere könnten mich verurteilen, wenn sie erfahren, dass ich eine Therapie mache”
Genauso wie jeder Mensch körperlich krank werden kann, besteht für jede und jeden ein Risiko, eine psychische Erkrankung zu entwickeln. Studien, bei denen Menschen rückwirkend befragt wurden, legen nahe, dass ungefähr jede zweite Person irgendwann im Laufe ihres Lebens von einer psychischen Erkrankung betroffen ist. Einige Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass diese Zahl noch zu niedrig ist und tatsächlich nur eine Minderheit ein Leben lang psychisch gesund bleibt.
Trotz ihrer sehr hohen Verbreitung waren psychische Erkrankungen lange Zeit mit einem starken Stigma belegt. Und auch wenn heute glücklicherweise zunehmend offener über psychische Gesundheit gesprochen wird, gibt es nach wie vor Menschen mit Vorurteilen. Tatsache ist: Dir im Falle von psychischen Problemen professionelle Unterstützung zu suchen ist ein Zeichen von Stärke, denn du kümmerst dich um dich und deine Gesundheit. Offen über deine Erfahrungen zu sprechen, kann auch anderen Mut machen und helfen, Vorurteile abzubauen.
Dein Wohlbefinden steht dabei natürlich an oberster Stelle. Wem du wann und wie ausführlich von deiner Therapie erzählst, entscheidest selbstverständlich ganz allein du! Du schuldest diese Information niemandem.
Was dir bei dieser Entscheidung helfen kann und wie du dich – falls du das möchtest – jemandem anvertrauen kannst, erfährst du hier.
5. “Ich werde bestimmt kein Wort herausbekommen”
Mit einer völlig fremden Person über deine intimsten Gefühle und Gedanken sprechen? Total verständlich, falls dich diese Vorstellung nervös macht. Gerade falls du bislang vielleicht eher versucht hast, alles mit dir alleine auszumachen, kann es wie eine unüberwindbare Hürde erscheinen, dich zu öffnen und jemandem mitzuteilen.
Zu Beginn und auch im Verlauf einer Therapie ist es völlig normal und ok, aufgeregt und unsicher zu sein. Und wenn du erstmal keine Worte findest oder bestimmte Themen nicht gleich anschneiden möchtest, ist auch das ok. Es gibt kein richtig oder falsch. Psychotherapeut:innen wissen, wie herausfordernd gerade die ersten Sitzungen für die Patient:innen sein können. Ein:e gute:r Therapeut:in wird dich beim Ankommen unterstützen und dich dort abholen, wo du stehst. Allein du bestimmst das Tempo und darfst dir die Zeit nehmen, die du brauchst, um Vertrauen und Mut zu fassen.
6. “Eine Therapie könnte meinen Zustand noch verschlechtern”
Für viele Menschen ist eine Psychotherapie nicht nur mit Hoffnung auf Besserung verknüpft, sondern auch mit Angst vor Verschlechterung. In der Therapie über belastende Themen zu sprechen, die mit Gefühlen wie Angst, Trauer, Scham oder Ärger einhergehen, kann eine ganz schön bedrohliche Vorstellung sein.
Tatsächlich kann es während einer Therapie kurzzeitig zu einer Zunahme von unangenehmen Gefühlen und Beschwerden kommen. In der Regel ist das vor allem zu Beginn der Fall, wenn du dich verstärkt mit Themen auseinandersetzt, die du bislang vielleicht bewusst vermieden hast. Auch Konflikte mit Familie, Partner:in oder Freund:innen können aufkommen, zum Beispiel wenn du in der Therapie lernst, für dich und deine Bedürfnisse einzustehen und dein Umfeld sich daran erst gewöhnen muss. Kurzfristig wirst du dich dadurch möglicherweise schlechter fühlen. Langfristig kannst du durch die in der Therapie angestoßenen Prozesse jedoch neue Kompetenzen gewinnen, die dir zu mehr Wohlbefinden und höherer Lebensqualität verhelfen. Und auch wenn der Weg dahin zwischendurch steinig ist – du musst ihn nicht alleine gehen. Dein:e Therapeut:in begleitet dich und kann dich auch im Falle einer vorübergehenden Verschlechterung unterstützen, damit umzugehen.
7. “Die Therapeutin wird denken, dass ich spinne”
Oftmals sind Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen, die Menschen im Rahmen einer psychischen Erkrankung erleben, mit Scham und Angst vor negativer Bewertung verbunden. Viele Betroffene befürchten, dass das, was sie erleben, sie irgendwie “komisch” macht. Und die Angst bewertet oder sogar abgelehnt zu werden, bleibt auch in der Therapie manchmal nicht aus.
Doch egal was du erlebst – es macht dich nicht komisch, es macht dich menschlich. Psychotherapeut:innen wissen um die große Bandbreite menschlichen Erlebens und Verhaltens. Gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie von Problemen, die deinen sehr ähnlich sind, schon einmal von anderen Patient:innen gehört haben.
Es liegt nicht im Interesse von Therapeut:innen dich zu be- oder gar zu verurteilen, sondern dich zu verstehen und gemeinsam mit dir daran zu arbeiten, dass es dir besser geht. Damit eine Therapie gelingen kann, ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Therapeut:in und Patient:in enorm wichtig. Von deiner Therapeutin oder deinem Therapeuten darfst du immer erwarten, dass sie oder er dir wertfrei, wohlwollend und empathisch begegnet. Ist das gegeben, wirst du vermutlich auch nach und nach die Angst verlieren, was sie oder er von dir denkt.
Solltest du dich in den Therapiesitzungen unwohl fühlen, weil du zum Beispiel den Eindruck hast, nicht richtig verstanden oder eben doch bewertet zu werden, sprich es an – auch wenn es schwerfällt. Ein:e gute:r Therapeut:in ist offen für Kritik. Falls sich am Verhalten deines Gegenübers nichts ändert, kannst du natürlich auch zu einem anderen Therapeuten oder einer anderen Therapeutin wechseln.
8. “In einer Therapie muss ich Dinge tun, die ich nicht tun will”
In einer Psychotherapie wirst du ziemlich sicher auch mal unangenehme Gefühle erleben. Vielleicht wirst du dich gezielt mit Situationen konfrontieren, die beispielsweise Angst oder Ekel auslösen – um die Erfahrung zu machen, dass du diese Gefühle aushalten und damit umgehen kannst. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit wirst du Dinge sagen oder tun, die dich einiges an Überwindung kosten. Doch alles nur und erst dann, wenn du dich dazu bereit fühlst. In einer Therapie passiert nichts unter Zwang. Anregungen deiner Therapeutin oder deines Therapeuten sind immer Vorschläge, keine Befehle. Du wirst dabei auch nicht einfach ins kalte Wasser geworfen: herausfordernde Behandlungstechniken (wie die Konfrontation mit einer angstauslösenden Sache oder Situation) werden nur angewendet, nachdem du ausführlich darüber aufgeklärt wurdest und dem Vorgehen zugestimmt hast. Du hast in einer Therapie immer das Recht, Fragen zu stellen und zu sagen, wenn dir etwas zu schnell geht oder du etwas nicht möchtest.
Nimm deine Bedenken mit in die Therapie
Vielleicht konnten wir dir mit diesem Artikel schon ein wenig die Angst vor dem Schritt zur Psychotherapie nehmen. Vielleicht hast du aber auch andere Bedenken, die wir hier nicht besprochen haben. Diese Zweifel dürfen da sein und müssen kein Hinderungsgrund für eine Therapie sein. Du kannst eine Psychotherapie beginnen und Bedenken haben. Nimm deine Ängste und Fragen mit und besprich sie mit deinem Therapeut oder deiner Therapeutin. Gemeinsam findet ihr bestimmt einen hilfreichen Weg damit umzugehen.
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