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Was genau ist eine Psychotherapie? Lerne die vier Verfahren kennen
Psychotherapie heißt wörtlich übersetzt „Behandlung der Seele“. Es bedeutet aber auch die „Behandlung mit seelischen Mitteln“ – durch Gespräche und psychologische Interventionen. Was genau verbirgt sich hinter einer Psychotherapie, welche Verfahren gibt es und wie unterscheiden sie sich? Man unterscheidet zwischen Psychotherapie und psychologischer Beratung.
Man unterscheidet zwischen Psychotherapie und psychologischer Beratung
Psychotherapie bietet Hilfe bei Störungen des Denkens, Fühlens, Erlebens und Handelns. Dazu zählen unter anderem Angststörungen, Depressionen, Essstörungen, Sucht- und Zwangserkrankungen. Andere psychische Belastungen, die Menschen erleben, wie beispielsweise Beziehungskonflikte, Probleme in der Partnerschaft oder Schwierigkeiten in der Erziehung von Kindern, werden nicht zu den psychischen Störungen gezählt. Daher wird die Behandlung dieser Bereiche in der Regel nicht als „Psychotherapie“, sondern als „psychologische Beratung“ bezeichnet. Nur wenn aus solchen Belastungen eine Erkrankung entsteht, zum Beispiel eine Depression, wird sie mit Psychotherapie behandelt.
In der Psychotherapie unterscheidet man vier Richtlinienverfahren
In Deutschland gibt es derzeit vier Richtlinienverfahren für Psychotherapie, deren Kosten durch Krankenkassen erstattet werden:
- (Kognitive) Verhaltenstherapie
- Tiefenpsychologisch fundierte Therapie
- Psychoanalytische Therapie
- Systemische Therapie
In der Regel sind zugelassene Psychotherapeuten auf eines dieser Richtlinienverfahren spezialisiert. Daher ist es sinnvoll, sich vor Behandlungsbeginn über die Unterschiede der Therapieverfahren zu erkundigen und im Rahmen der ersten Therapiesitzungen mit dem Psychotherapeuten über seinen Behandlungsansatz zu sprechen. Die psychotherapeutischen Verfahren unterscheiden sich darin, wie sie das Auftreten psychischer Erkrankungen erklären und welche Methoden sie verwenden, um ein psychisches Leiden zu behandeln.
Erstens: Die Verhaltenstherapie und kognitive Verhaltenstherapie
- Sitzungen pro Woche: in der Regel einmal pro Woche
- Dauer der Therapie: 12 – 80 Sitzungen
In der Verhaltenstherapie (VT) stehen unterschiedliche Lernprozesse des Menschen im Vordergrund. Im Laufe des Lebens erlernst du auf unterschiedlichen Wegen, dein Verhalten und deine Sicht auf die Welt. Dies trägst du im Alltag immer mit dir. Dementsprechend verstehen Verhaltenstherapeuten eine psychische Erkrankung als das Ergebnis von Lernerfahrungen, die ungünstig verlaufen sind und deswegen in der aktuellen Lebenssituation hinderlich oder nicht angemessen sind. Häufig wird auch der Zusatz „Kognitive“ Verhaltenstherapie (KVT) genutzt. Dabei handelt es sich um eine neuere Entwicklung der Verhaltenstherapie, die unser Denken und unsere typischen Denkmuster einbezieht, zum Beispiel unsere Wahrnehmung und Bewertung der Umwelt.
In der Therapie lernt der Patient, neue Verhaltensweisen und Denkmuster anzuwenden, die hilfreicher sind als die bisherigen. Dabei arbeitet der Psychotherapeut zusammen mit dem Patienten meist an aktuellen Problemen und an konkreten Situationen aus dem Alltag des Patienten. Ein wichtiger Grundbaustein der VT ist, dass Patienten in der Therapie Techniken erwerben, mit denen sie ihre zukünftigen Probleme auch ohne Unterstützung durch den Psychotherapeuten verstehen und überwinden können.
Zweitens: Die analytische Psychotherapie und Psychoanalyse
- Sitzungen pro Woche: in der Regel 2-3
- Dauer der Therapie: 12 – 300 Sitzungen
Die analytische Psychotherapie oder „Psychoanalyse“ (PA) ist die älteste Form der Psychotherapie. Die meisten kennen den Namen ihres Begründers: Sigmund Freud. Die Psychoanalyse geht davon aus, dass Gefühle und Erinnerungen ins Unbewusste verdrängt und für uns nicht zugänglich sind. Diese verdrängten Inhalte aus der Vergangenheit können verhindern, dass wir uns gesund entwickeln. Im Gegensatz zur VT ist sie keine trainierende, sondern eine aufdeckende Therapie. Das Ziel ist das Auflösen innerer Konflikte durch Verstehen des eigenen Denkens und der Gefühle.
Dazu sollen Patienten bedeutende Konflikte aus der Kindheit erneut durchleben. Der Therapeut bietet sich dabei als neutrale Fläche an, an dem diese Konflikte verarbeitet werden können. Der Patient sagt dabei möglichst frei alles, was ihm gerade durch den Kopf geht und bestimmt so die Richtung des Gesprächs. Der Therapeut redet meist sehr wenig und bietet Interpretationen zu dem an, was der Patient beschreibt. Ein konkret ausformuliertes Ziel gibt es meist nicht. Vielmehr soll ein tiefes emotionales Verständnis und gegebenenfalls eine Umstrukturierung der Persönlichkeit ermöglicht werden. Häufig finden die Sitzungen im Liegen statt, während der Therapeut hinter dem Patienten sitzt, um ihn möglichst wenig zu beeinflussen. Modernere Psychoanalytiker arbeiten aber auch im Sitzen.
Drittens: Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
- Sitzungen pro Woche: in der Regel 1-2
- Dauer der Therapie: 12 – 100 Sitzungen
Auch bei der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie (TP) stehen unbewusste innere Konflikte im Zentrum. In der TP versucht der Therapeut, einen verdrängten zentralen Konflikt aus der Vergangenheit des Patienten zu identifizieren, der die aktuelle Erkrankung beeinflusst und sich auch in der Gegenwart zeigt. Die Therapie soll dem Patienten ermöglichen, den zentralen Konflikt und die Ursachen für ihn zu verstehen und in der Gegenwart Möglichkeiten zu entwickeln, mit ihm umzugehen und die daraus entstehenden Schwierigkeiten zu bewältigen.
Im Gegensatz zur Psychoanalyse bespricht der Psychotherapeut mit dem Patienten meist konkrete Ziele für die Psychotherapie, beteiligt sich aktiver in den Therapiesitzungen und stellt die Gegenwart mehr in den Fokus. In der Regel findet die Therapie auch nicht im Liegen, sondern im Sitzen statt. Im Vergleich zur Verhaltenstherapie geht es weniger um das problematische Verhalten selbst, sondern um die Funktion und die Ursachen des Verhaltens. Die Beschwerden oder das problematische Verhalten sollen indirekt reduziert werden.
Viertens: Die systemische Psychotherapie
- Sitzungen pro Woche: in der Regel einmal pro Woche
- Dauer der Therapie: 12 – 80 Sitzungen
Seit Juli 2020 werden auch die Kosten für systemische Therapie (bei Erwachsenen) von den Krankenkassen erstattet. In der systemischen Therapie (ST) liegt der Fokus auf dem sozialen Kontext psychischer Störungen. Bei der ST steht im Gegensatz zu den anderen Psychotherapieverfahren nicht nur der einzelne Patient im Mittelpunkt, sondern auch seine wichtigsten Bezugspersonen, wie z.B. Familienmitglieder. Eine psychische Erkrankung einer einzelnen Person wird in der ST als Symptom für eine Störung der Interaktion im System (z.B. der Familie) gesehen. Aus diesem Grund werden in der ST wichtige Bezugspersonen oft direkt in die Therapiestunden mit einbezogen – die Therapie kann also in einem sogenannten Mehrpersonensetting stattfinden! So können für das Leiden des Patienten bedeutsame Beziehungen und Interaktionen direkt mit den involvierten Personen im System besprochen und verändert werden.
Die Rolle des Psychotherapeuten ist es in der ST, Störungen im System zu identifizieren und mit dem Patienten (und ggf. anderen beteiligten Personen) konkrete Lösungsansätze zu erarbeiten.
In der Regel finden die Therapiesitzungen im Sitzen statt. Häufig werden in der ST bestimmte Konflikte oder Dynamiken im System auch durch Aufstellung von Personen (oder Platzhaltern) im Raum versucht darzustellen und zu bearbeiten.
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