Verhalten

„Jetzt bin ich stark für dich“ – Depression und Beziehung

Wie geht man mit dem dunklen Schatten der Depression in einer Beziehung um und welchen Herausforderungen steht man gegenüber?
Depression und Beziehung

Eine Depression hebt nicht selten das ganze Leben, so wie man es vorher kannte, aus den Fugen. Ist der Mensch, den man liebt, an einer Depression erkrankt, leiden beide – nur auf unterschiedliche Weise. Es kostet Kraft zuzusehen, wie der geliebte Mensch sich quält. Viele Angehörige oder Partner irren auf einer ständigen Gratwanderung zwischen begleiten, aber nicht mitleiden. Zwischen helfen wollen, aber nicht verantwortlich sein.

 

Die wilde Gefühlslandschaft von Kummer, Selbstzweifel und Wut

Ist eine Partnerschaft von Depression betroffen, tun sich unzählige Gefühle auf. Zu Anfang sicherlich Beunruhigung und Unsicherheit darüber, dass etwas nicht stimmt: Warum lacht mein Partner seltener? Warum ist er häufiger müde, leichter gereizt und antriebslos? Liegt es am Job – oder schlimmer noch: an mir? Mache ich etwas falsch, dass sich mein Partner nicht mehr für mich zu interessieren scheint, verschlossener ist oder weniger Lust auf Sex hat? Was sind die Ursachen für all diese Veränderungen? Selbstzweifel kommen nicht selten auch daher, dass der Partner oft ganz normal mit anderen umgeht, beispielsweise wenn er telefoniert oder Freunde zu Gast sind. Diese freundliche und gutgelaunte Fassade fällt dann erst im Privaten.

Neben Unsicherheit fühlen Angehörige schlicht Kummer. Trauer um etwas Vergangenes. Über die Zeit, in der noch alles in Ordnung war. Leidet der Partner an einer Depression, heißt das nicht selten, in vielen Lebensbereichen etwas verloren zu haben. Häufig trauert man auch schlicht um die verloren gegangene Selbstverständlichkeit, Freude zu teilen oder gemeinsam Entscheidungen zu treffen.

Trauer und Wut liegen eng beieinander, verschwimmen sogar. Oft ist es die Wut über abgesagte Verabredungen oder kein einziges liebes Wort. „So kenne ich dich gar nicht, was ist denn hier los?“ ist ein typischer Wut-Impuls. Die versteckte Bedeutung hinter der Wut spiegelt dann oft den Wunsch, wieder Balance in der Beziehung zu finden: „So will ich das nicht, dagegen wehre ich mich. Mach, dass sich was ändert!“

In direkter Folge ist das Schuldgefühl nicht weit. Denn es ist oft einfacher, sich selbst die Schuld zu geben, als den komplexen Ursachen einer Depression. Häufig beginnen Sätze dann mit „Hätte ich nur…“. Sie reichen von Vorwürfen, eine Mitschuld an der Depression zu tragen, sich nicht genug um den Partner zu kümmern bis hin zum Gefühl, selbst nicht Freude oder Schönes erleben zu dürfen.

Wo Schuld ist, ist auch Scham nicht weit. Unsere Identität und unser Selbstwertgefühl entnehmen wir zu einem großen Teil unserem engen sozialen Umfeld. Erkrankt der Partner an einer Depression, berührt das nicht nur seine Identität, sondern auch die eigene. Sagt der Partner zum Beispiel immer wieder Treffen ab, zieht sich zurück oder benimmt sich anders als gewöhnlich unter Freunden, können auch Partner in Erklärungsnot geraten. Solches Verhalten kann peinlich berühren, beschämen oder den Selbstwert angreifen.

 

Gibt es einen Weg durch diese Schattenwelt?

Einen Partner zu begleiten, der sich in einer Depression befindet, ist nicht leicht. Viele Angehörige empfangen vom betroffenen Partner ein verwirrendes „Hilf mir und lass mich in Ruhe!“ – und tatsächlich möchten sich viele von ihnen sich dem häufig entziehen und gleichzeitig helfen. All das ist vollkommen normal. Der Mensch, den man liebt, verändert sich und das macht Angst. Aber wie schafft man es nun, diese Herausforderungen zu bewältigen und sich eine Landkarte durch diese Welt zu zeichen.

Akzeptieren – Es braucht ein dickes Fell, abweisendes, egoistisch wirkendes Verhalten nicht an sich heranzulassen, die Krankheit zu akzeptieren und an die Liebesbeziehung zu glauben. Wichtig ist es, eine Depression nicht als eine Charakterschwäche, Erziehungssache oder eine Laune misszuverstehen, sondern als eine ernstzunehmende Krankheit. Das einzusehen ist gar nicht so leicht, denn liebt man einen Menschen, sieht man sich dem eigenen Widerstand konfrontiert, die Krankheit hinzunehmen. Daher ist es hilfreich, sich über das Wesen einer Depression umfassend zu informieren und seinem Partner zu signalisieren, dass er so sein darf wie er gerade ist.

Geduld – Mit dem Partner in Kontakt zu bleiben, Mut zu machen, auch wenn er sich abwendet, Hilfe nicht annehmen will und keine Zuneigung schenkt – das sind die schwierigsten Aufgaben, die es zu bewältigen gilt. Sein Verhalten nicht persönlich zu nehmen, sondern als Teil der Krankheit zu sehen, als ein Nichtkönnen, und kein Nichtwollen. Für jemanden, der an einer Depression leidet, ist es wichtig zu wissen, dass am Rande seines schwarzen Lochs jemand rüber lugt, der da ist und auf ihn wartet, wenn er ihn braucht.

Gespräche führen, auch wenn der Partner sich verschließt – Es ist hilfreich, mitfühlend und offen über die Depression zu sprechen, ohne dabei seinen Partner zu drängen oder zu versuchen, ihn zu analysieren. Nur so kann man verstehen, wie sich eine Depression anfühlt und was der Partner gerade braucht. Dabei sind Fragen, die an seine Stärken und Kräfte appellieren, besser als unbedingt nach Gründen für die Depression zu graben. Manchmal ist es aber am besten, einfach „nur“ zuzuhören, da zu sein und gar nichts zu sagen.

Auf kluge Ratschläge verzichten – Unser Gehirn neigt dazu, schnell Lösungen für Probleme zu finden. Geben wir einem Menschen, der an einer Depression leidet, aber Ratschläge darüber, wie er diese überwinden kann, bagatellisieren wir das Problem und können Schuldgefühle über Unzulänglichkeiten verstärken. Wir tun das meist, um uns selbst von dem Gefühl der Machtlosigkeit zu befreien: „So, jetzt habe ich dir einen Tipp gegeben, jetzt bist du wieder dran.“ Der Partner sieht die Welt jedoch durch eine depressive Brille, die für ihn real ist. Ratschläge wie „Fahr doch mal ein paar Tage weg“ oder „Anderen Menschen geht es viel schlimmer, du hast doch alles“ sind dann pures Gift! Viel besser sind unterstützende Sätze wie: „Wir müssen jetzt nicht über Vergangenheit oder Zukunft sprechen. Tu, was du heute tun kannst. Ich bin hier, wenn du mich brauchst.“

Nicht entmündigen, sondern begleiten – Wie wir mit unserem Partner umgehen, kann den Verlauf einer Depression beeinflussen. Es ist wichtig, darauf zu achten, wann wirklich Unterstützung gewollt ist – und wann nicht. Fängt man an, seinen Partner in Watte zu hüllen und ihm sämtliche Pflichten abzunehmen, gibt man ihm schnell das Gefühl, überflüssig zu sein und verstärkt damit wohlmöglich die depressiven Symptome und das Gefühl, „eh zu versagen”. Besser ist es, zu täglichen Routinen aufzumuntern, beispielsweise gemeinsames Aufstehen, Mahlzeiten zu zweit oder regelmäßige Spaziergänge.

Selbstfürsorge – Die Begleitung eines Menschen, der an einer Depression leidet, ist eine ständige Gratwanderung zwischen den Bedürfnissen des „Wir” und des „Ich”. Lieben wir jemanden, wollen wir oftmals gleich die Verantwortung für dessen Leiden und Heilung übernehmen. Da kann es hilfreich sein sich klarzumachen, dass die Depression die Krankheit des Partners ist – und nicht die eigene. Nimmt das Mitleid überhand, wird der Partner zum hilflosen Helfer. Es ist daher entscheidend, sich abzugrenzen, das Ich und die eigenen Grenzen nicht zu vergessen. Eine Depression zu begleiten, braucht Kraft, die man nur aufbringen kann, wenn es einem selbst gut geht. Indem man zum Beispiel Freunde trifft, sich Gutes tut und sein eigenes Leben weiterlebt, sorgt man für gesunden Abstand und kann neue Energie tanken.

Zu Hilfe ermutigen – Je mehr wir als Begleiter über die Eigenarten der Depression wissen, desto besser können wir unseren Partner verstehen. Dazu gehört aber auch, wachsam zu sein: Wo liegen die eigenen Grenzen des Machbaren und ganz wichtig: Ab wann ist professionelle Hilfe angezeigt? Depression ist immer ein Anlass, sich Unterstützung zu holen. Vor allem, wenn der Partner von Suizidgedanken spricht. In vielen Fällen ist eine Psychotherapie der rettende Anker – letztlich auch für die Liebesbeziehung. Oft aber fehlt dem Betroffenen selbst die Kraft, sich zu einem Arztbesuch aufzuraffen. Er hält ihn schlicht für nicht nötig oder sucht die Schuld für sein Befinden bei sich selbst, denkt gar nicht an eine mögliche Erkrankung. Dann ist es wichtig, dass der Partner den Betroffenen ermutigt, sich Hilfe zu suchen.

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